Die Schlüsselbüchse

Die Geschichte ist schon so lange her, dass sie fast schon nicht mehr wahr ist. Sie spielte sich gleich nach dem Krieg, in der amerikanischen Besatzungszeit ab. Die Zeiten waren schlecht, es gab nichts. Die Bachler ließen sich aber den Mut nicht nehmen und studierten ein Theaterstück ein. Die Aufführung im Saal der sich im Obergeschoss des alten Roßmeierwirtshauses befand. Es wurde ein Wildererstück ausgesucht, bei dem es dramatisch zuging. Das Gewitter wurde mit Theatereffekten mit einem Blitzlicht und einer großen Blechtafel täuschend echt nachgeahmt. Auch der Gewehrschuss eines Wilderers stand im Theaterbuch. Hier wurde es schwieriger. Mit Pulver oder gar Schusswaffen durfte man sich in der Zeit nicht erwischen lassen. Aber unter den Hofkirchnern gab es damals schon findige Tüftler und so war auch dafür schon bald eine Lösung gefunden – eine Schlüsselbüchse.

 

Eine Schlüsselbüchse, so werden Sie sich fragen, was ist das? Sie besteht aus einem Schlüssel, dessen Schaft hohl ist. Viele Schrankschlüssel sind so beschaffen. Auch ein dünnes Rohr oder eine leere Messing Patronenhülse eignet sich dafür. Etwa ein Viertel des Hohlraumes wurde mit dem abgekratzten Schwefel von Zündhölzern gefüllt. Die Zündhölzer, Schnellfeuer genannt, konnte man damals noch durch Reiben an der Wand entzünden.  Das Loch wurde mit einem abgezwickten Nagel mit dem gleichen Durchmesser verschlossen. Band man jetzt noch eine Schnur an den Schlüssel und schlug damit an eine Mauer oder den Boden, so hatte man einen Aufschlagzünder mit großem Knalleffekt.

 

Die Aufführung stand vor der Tür. Bis zur letzten Minute wurde eifrig geprobt. Der Requisiteur  war bestens vorbereitet. Die Blechtafel donnerte wie ein echtes Gewitter. Er hatte auch schon eine Reihe von Probeschüssen mit der Schlüsselbüchse durchgeführt. Damit gewiss alles passt, hat er die Schlüsselbüchse schon am Vortag geladen und bereitgelegt.

 

Der Saal war gesteckt voll. Selbstverständlich war auch der Hochwürdige Herr Pfarrer eingeladen und hatte in der ersten Reihe Platz genommen. Auch der D. Sepp, der beim Laden der Schlüsselbüchse geholfen hat, saß direkt neben dem Pfarrer. Er hielt es vor Spannung fast nicht mehr aus. Endlich kam die Szene, wo es krachen sollte. Wie gebannt starrte er auf die Bühne, doch es tat sich nichts. Der Sepp rang um Fassung, schlug seinem Banknachbarn, dem Herrn Pfarrer auf den Oberschenkel und zischte: „Zefix iaz hot’s net kracht!“ - Das Pulver war feucht geworden.

 

Der Herr Hochwürden, sonst ein sehr gestrenger Mann, der das Fluchen der Mannsbilder nicht ausstehen konnte, musste lachen und mit ihm der ganze Saal. Auch ohne den Knall wurde das Theaterstück ein großer Erfolg. Bei der nächsten Aufführung, nahm sich der Sepp vor, für trockenes Pulver zu sorgen. Und wer den Sepp kannte, der weiß, dass er es noch oft hat krachen lassen.

 

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