Der Polsterltanz

 

Als gegen Ende der 1950er Jahre der hochmusikalische, junge Lehrer Theodor Ebner mit seine Frau Ursula nach Hofkirchen zog, spielte dieser auch in der Kirche die Orgel und machte den Kirchenchor zu einer festen Institution im Dorfleben. Nich nur bei den Gottesdiensten, sondern auf bei prophanen Veranstaltungen, Jubiläen und Theateraufführungen kam der Chor zum Einsatz. Seine Frau Ursula regte an, auch im Fasching einen Maskenball im Obergeschoss des damaligen Gasthauses Roßmeier abzuhalten. Alle Chormitglieder und auch auserwählte Freunde und Gönner der Gesangsgruppe waren eingeladen.

 

Zu denen gehörte auch Ludwig Schmidt, der allgemein nur als der "Schreiner" bekannt war. War er doch der einzige mit diesem Beruf im Ort. Der Ludwig, Wiggerl oder Pfa, wie er auch genannt wurde, verstand sich nicht nur auf sein Handwerk. Er war ein Tausendsassa und Erfinder und konnte sich durchaus auch in anderen Berufen behaupten. Er war drahtig, schlank und konnte sich elastisch bewegen wie eine Katze. Was ihm fehlte war eine Braut. Er wohnte noch bei seinen Eltern und seiner Schwester und wurde dort gut versorgt. Er genoss seine Selbstständigkeit. Heute würde man sagen sein Singledasein.

Einige Damen des Kirchenchores wollten ihm allzu gerne eine tüchtige Braut vermitteln. Die Inge, war eine adrette junge Frau. Sie war klug und gebildet. Sie arbeitete bei ihrer Tante in Hofkirchen im Bäckerladen. Sie erledigte dort auch die Buchhaltung. Sie wurde als ideale Kandidatin für den Luggi gesehen. Insgeheim glaubte man, dass sie sogar heimlich füreinander schwärmten. Zu der Zeit war es aber unüblich, dass die Frau die Initiative ergreift. Hier wollte der Kirchenchor nachhelfen.

 

Alles war arrangiert. Nach einigen Tanzrunden hieß es: "Aufstellen zum Polsterltanz." Die Tanzpaare bilden dabei einen großen Kreis (abwechselnd Tänzerinnen und Tänzer). Die Musikanten spielen einen Walzer. Ein Tänzer geht allein mit einem Kissen innerhalb des Kreises und lässt das Polsterl vor einer Tänzerin seiner Wahl fallen. Beide knien sich auf das Kissen, umarmen und küssen sich. Nach dem Kuss tanzen dann beide einige Takte miteinander Walzer. Anschließend beginnt das Tanzspiel zu Walzerklängen erneut, jedoch mit vertauschten Rollen. Die Tänzerin, die nun ohne Tanzpartner ist, ergreift das Kissen, geht innerhalb des Kreises und erwählt sich ebenfalls einen neuen Tänzer. Der Ludwig kannte das Spiel nicht und fand es anfangs ganz lustig. Er hatte nicht daran gedacht, dass auch er auf das Kissen knien müsste. Wie gesagt, alles war arrangiert. Der Wirt und die Wirtin waren eingeweiht und hatten die einzige Tür des Tanzsaales abgeschlossen.

 

Nach einigen Runden bekam die Inge das Kissen, drehte einen Kreis und ließ es vor dem Ludwig fallen. Die Runde applaudierte. Ihm schoss die Röte ins Gesicht. Er sprang auf und eilte wie ein gehetztes Tier zum Saalausgang. Er rüttelte an der abgeschlossenen Tür. Die Musik hatte aufgehört zu spielen. Alles sah gespannt auf Luggi. Inge liefen wegen dieser Abweisung die Tränen übers Gesicht. Schließlich lief Ludwig zum Fenster im ersten Stock, riss es auf und zwang sich durch die engen Eisenstäbe. Ballbesucher sahen durch die anderen Fenster, wie der Schreiner am Fallrohr der Dachrinne hinunter kletterte und lautlos in der Dunkelheit der Nacht verschwand.

 

Nach ein paar Minuten spielte wieder die Musik. Inge wurde getröstet und der Maskenball ging weiter. In den nächsten Tagen gab es im Dorf viel Gesprächsstoff, bei dem das Geschehene sicher noch reichlich ausgeschmückt wurde.

 

Soviel kann verraten werden. Aus den beiden wurde nie ein Paar. Einige Jahre später heiratete Inge ihren Franzl und sie führten eine glückliche Ehe. Der Ludwig war weiterhin sportlich aktiv und arbeitete als Junggeselle in seiner Schreinerwerkstatt bis kurz vor seinem Tod im Juni 2018.

 

 

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