Beichten ohne Reue

 

Der L. Vinzenz, genannt Vinz war Krämer und Landwirt in Hofkirchen. Er war für seine etwas grob wirkende, aber nicht unbedingt böse Ausdrucksweise bekannt. Er zog die Vokale etwas in die Länge, wodurch seine Worte einen eigenen, für ihn charakteristischen Klang erhielten. Als Kinder hatten wir Angst vor ihm. Heute bin ich stolz darauf, dieses Hofkirchener Original noch persönlich gekannt zu haben. Er hatte in seiner Joppentasche immer eine Spitzrogl mit Süßigkeiten dabei. So war es durchaus eine noble Geste, ja fast schon ein Kompliment, wenn er bei der Feldarbeit meiner Mutter, damals eine junge Kleinbäuerin, auf dem Nachbarfeld ein paar Minzenkugeln mit den Worten anbot: „Schindermatz mogst a Guats?“ Das war seine Art, man kannte ihn nicht anders.

 

Die überlieferte Geschichte, die ich über ihn nacherzählen will, liegt aber sehr viel weiter zurück und dürfte sich vor dem Zweiten Weltkrieg abgespielt haben.

 

Es war Fastenzeit und seine Frau, die Cilli lag ihm jeden Tag in den Ohren, er soll vor Ostern zum Beichten gehen. Er zeigte zum nahen Pfarrhaus und sagte: „Zu dem geh‘ i net affe!“ Seine Frau bekniete ihn weiter und schlug vor, er solle nach Mallersdorf fahren. Dort sind Patres zur Beichtaushilfe da. Das sind Kapuziner, die vertragen schon was. Nach mehreren Tagen des Zögerns und vielleicht auch der Gewissenerforschung gab er schließlich dem Drängen seiner Cilli nach. Schon am Morgen, gleich nach der Stallarbeit machte er sich mit dem Radl auf den Weg nach Mallersdorf. Der Weg war beschwerlich, da die Straßen schlecht, staubig und mit großen Schlaglöchern übersäht waren.

Am Klosterberg befand sich damals auf halber Höhe der Eingang zum Klosterbräustüberl, das von Hilfsschwestern mit blauen Schürzen geführt wurde. Um den Staub aus der Kehle zu spülen kehrte der Vinz zuerst dort ein und machte eine für einen Geschäftsmann standesgemäße Zeche.

 

Schließlich ermahnte ihn die Bräuschwester, dass es Zeit wäre, wenn er bei der Beicht‘ drankommen möchte, weil die Herrn jetzt dann Mittag machen. Die letzten Meter zur Kirche legte er schon etwas schwerfällig zurück. Endlich war er in der langen Schlange ganz vorne am Beichtstuhl angelangt. Der Vinz zählte durch das Beichtgitter seine Sünden auf, wie er es in der Schule mit dem Beichtspiegel gelernt hatte. Doch der Pater gab sich damit nicht ganz zufrieden und fragte interessiert und drohend nach, wie sich die Geschichte mit dem Viehhändler beim Verkauf des Mastochsen genau zugetragen hatte, die der Vinz schnell und beiläufig erwähnt hatte. Er hatte wohl den sonst schlitzohrigen Viehhändler bei dem Geschäft etwas über den Tisch gezogen.

Der Pater meinte, er könne ihm so die Absolution nicht erteilen. Er solle die Tat zuerst bereuen und beim Viehhändler Wiedergutmachung leisten. Dann könne er wiederkommen und um die Lossprechung bitten.

 

Das war dem Vinz dann doch zu dumm. Er war extra in aller Frühe mit dem Radl hierher und den steilen Berg hochgeschoben, hatte wegen der Beichterei eine beachtliche Zeche gemacht und seine Zeit versäumt - und jetzt sowas. Er kroch aus dem vermaledeiten Armen Sünder Abteil, wie er den Beichtstuhl nannte, an dem er sich schon beim Betreten den Kopf angestoßen hatte.

Er zerrte an dem lila Samtvorhang hinter dem der Beichtvater saß und schob ihn beiseite.

Als er den Pater darin sitzen sah, legte er lautstark los, dass es in der Kirche hallte: „Des konnsta einbuitn, bis iii wieder kimm, dawei bis du dafault mitsamt deim Beichtstuhl!“

Wie die Cilli den Bericht ihres Ehemannes nach der Heimkehr aufgenommen hat, und ob er sein Versprechen gehalten hat, wurde nicht überliefert. Der Vinz erzählte aber die Geschichte oft und gerne im Wirtshaus und sie wird auch heute noch nacherzählt.

 

 Aufgeschrieben im April 2020

 

 

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